Aus Hue haben wir spontan die Flucht gen trockenen Süden ergriffen. Nach der Landung in Saigon fällt vor allem eines auf: Es ist hier viel wärmer als wir es seit mehreren Wochen gewöhnt waren. Und es regnet nicht, beinahe kommt es uns so vor, als würden wir in die Sommerferien fahren. Im Prinzip ist Saigon eine westliche Variante von Hanoi, nur der Verkehr ist gleich.
Leider trage ich seit Luang Prabang eine Erkältung mit mir herum, die mich jetzt endgültig von den Füßen schlägt. Notgedrungen nehmen wir uns einen Tag frei, den ich hustend und Nase schnäuzend im Hostel verbringe. Immerhin habe ich jetzt Zeit, mein Buch fertig zu lesen. Als es am nächsten Tag noch schlimmer wird, trete ich den unbeliebten Gang zum Arzt an. Der stellt eine Entzündung im Hals fest und verschreibt mir prompt Antibiotika und andere Tabletten. Normalerweise fühle ich mich nach der Einnahme von Antibiotika noch schlechter als zuvor, aber der Medikamentencocktail hat eher eine belebende Wirkung. Und gesund werde ich auch.
Durch die Tabletten gestärkt habe ich nun auch genug Kraft für das Kriegsrestemuseum. Dieses Museum ist ein sehr harter Tobak, aber man kommt daran nicht vorbei. Auf schonungslose und sehr direkte Art erzählt es vom Vietnamkrieg, vor allem mit sehr vielen Bildern. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass die Indochinakriege insgesamt nicht nur 30 Jahre dauerten, sondern auch erst vor 40 Jahren beendet wurden. Die Kurzfassung: Frankreich führte den Ersten Indochinakrieg, um Vietnam als Kolonie zu erhalten, im Ergebnis unterlag Frankreich und Vietnam wurde geteilt. Die USA wollten keinen kommunistischen Staat in Südostasien dulden und unterstützten zuerst den Süden Vietnams gegen den Norden und führten anschließend direkt Krieg. Das Ergebnis: Die USA mussten sich nach 17 Jahren zurück ziehen und Vietnam wurde wieder vereinigt. Wie jeder Krieg ist auch dieser äußerst schmutzig geführt worden und beide Seiten haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Nachdem aber unsere heimische Unterhaltungsindustrie vor allem den westlichen Standpunkt hochhält, wird hier die andere Seite gezeigt, von der jeder schon einmal gehört hat. Nicht nur haben US-amerikanische Soldaten zahlreiche Kriegsverbrechen an Soldaten und Zivilisten begangen oder beabsichtigt den Norden zurück in die Steinzeit zu bomben, sie haben auch den Großteil des Landes mit dem berüchtigten Agent Orange besprüht. Mit den Folgen von Agent Orange hat die Bevölkerung bis heute zu kämpfen, weite Teile des Bodens sind verseucht. Eine Sammelklage von vietnamesischen Opfern ist in den USA gescheitert, da Agent Orange nicht als Kampfstoff eingestuft wird.
Die Fotografien im Museum sind ebenfalls nichts für schwache Nerven. Dort werden nicht nur entstellte Leichen sondern auch Folterszenen dargestellt. Einige der Grausamkeiten sind bereits damals bekannt geworden, allerdings wurden die verantwortlichen Offiziere nie vollends zur Rechenschaft gezogen und einige sogar von höchster Stelle begnadigt.
Thematisch an das MMuseum schließt sich der Besuch der Tunnel bei Cu Chi an. Frankreich und die USA führten einen Krieg gegen Guerillas, generell wurden die Straßen nachts von den Việt Minh kontrolliert. Die Việt Minh und Teile der Zivilbevölkerung suchten unter anderem Schutz in den selbst gegrabenen Tummeln, die über die Jahre zu einem gigantischen Netzwerk gewachsen sind. Die meisten Versuche der USA diese Tunnel zu zerstören oder gar aufzuspüren, schlugen fehl, auch wenn diese Gebiete regelrecht zerbombt wurden. Die Tunnel wurden für eine lange Zeit die einzige sichere Zuflucht. Es ist dort unvorstellbar eng, dunkel und stickig, man kann noch so viel darüber lesen, man muss dort gewesen sein. Auch wenn beide Parteien eine grausame Art der Kriegsführung an den Tag gelegt haben, so wächst doch mein Respekt für die Menschen, die einer fremden Macht diesen Widerstand entgegen setzen.
Hier sind drei Tunneleingänge und eine Schießscharte versteckt.
Ein Tunneleingang.
Ein Lüftungsschacht.
Eine Bambusfalle.
Lilo Hartung
Wenn ich diesen abscheulichen Krieg der USA in Vietnam – und es gibt ja noch viele andere Länder – mit dem Wunsch der osteuropäischen Länder nach US-Panzertruppen betrachte, dann bekomme ich Angst und Wut und Ohnmacht.