Russland ist flächenmäßig das größte Land der Erde, das wissen wir noch aus der Schule. Aber man macht sich keine Vorstellung von dieser Strecke, solange man sie nicht befahren hat. Wir sitzen jetzt den zweiten Tag ununterbrochen im Zug auf dem Weg nach Irkutsk. Wenn wir dort ankommen, liegt immer noch ein Drittel von Russland vor uns, allerdings biegen wir da schon in die Mongolei ab.
Von Moskau nach Irkutsk sind es mehrere tausend Kilometer und bis zu fünf Stunden Zeitunterschied. Deshalb lebt man auf der Fahrt auch in mehreren Zeitzonen: Der Ortszeit und der Moskauer Zeit, nach der sich alle Züge richten. Patrick, den wir in Mokau kennen gelernt haben, fährt diese Strecke komplett durch. Dafür dürfte er mindestens vier Tage brauchen. Über unsere Zwischenstopps in Kasan und Jekatarinburg sind wir jedoch sehr froh. So kann man sich nicht nur die Beine vertreten, sondern auch etwas von den Städten sehen, die sich sehr von Moskau unterscheiden.
Ab Jekatarinburg befinden wir uns in Asien und fahren gemütlich durch die sibirische Landschaft. In Moskau wurde uns gesagt, dass es jetzt nicht die beste Zeit für die Transsib wäre. Können wir nicht begreifen. Draußen kündigt sich der Herbst an und die Bäume erstrahlen in allen Farben.
Es ist relativ eng im Zug. In den Viererabteilen ist nicht viel Platz, aber wir sind die meiste Zeit unter uns. Trotzdem haben die Züge ihren eigenen Charme. Ein enormer Pluspunkt geht an den Samowar auf dem Flur, wo man sich stets mit heißem Wasser für Tee und Suppen versorgen kann.
Das echte Gefühl auf der Transsib zu sein, bekommen wir jedoch erst, als wir eine längere Zeit in Barabinsk halten. Der Zug hält andauernd in kleinen Ortschaften, meist jedoch nur für ein oder zwei Minuten. In Barabinsk ergreifen wir die Gelegenheit beim Schopf und kaufen den Damen auf dem Bahnsteig ihre Waren ab: Tomaten, frittierten Kartoffelbrei (sieht aus wie ein Brötchen, schmeckt aber unvergleichlich besser) und einen Fisch. Der Fisch ist leider nicht komplett geräuchert. Aber dazu gibt es den Samowar, mit dessen Wasser wir das Fleisch nachgaren.
Ich bin heilfroh etwas russisch gelernt zu haben, sonst würde ich nicht verstehen, wie viel das Essen gekostet hat. Aber auch da sind uns Grenzen gesetzt als Oleg einsteigt. Er scheint ein guter Gesprächspartner zu sein, aber er spricht etwa so viel deutsch und englisch wie ich russisch und so müssen wir uns mit Händen und Füßen verständigen.
Nachdem wir den ersten Tag durch einen scheinbar endlosen Sumpf gefahren sind – wobei wir uns fragen, wie man unter diesen Umständen die Gleise verlegt hat – wird die Landschaft nun etwas bergiger und mit Birken gesäumt, so weit das Auge blicken kann. Wenn die vorderen Abteile nicht ständig beleuchtet wären, könnte man vermutlich auch mehr vom Sternenhimmel erkennen. Ich war zwar noch nie besonders gut in Sternenkunde, bin aber überrascht, dass man jetzt schon Orion sehen kann. Das hatte ich immer für ein Wintersternzeichen gehalten.
Entlang der Transsib liegen die Dörfer und Städte wie an einer Perlenschnur und während wir nicht einschlafen können, fragen wir uns wie schön und weit wohl die Landstriche abseits davon sein mögen.
Lilo Hartung
Die guten Erfahrungen mit der Djeshurnaja, die, wo es den Tee gibt, habe ich öfter genossen. Ich habe meine Zugfahrten immer benutzt, um mein Russisch aufzubessern. Von einer solchen Reise habe ich ein altes Teeglas (schöner alter Untersatz) mitgebracht (gekauft). Aber mit der Trans.Sib. bin ich leider nie gefahren.