Wenn man an die Transsibirische Eisenbahn denkt, hat man womöglich die romantische Vorstellung einer alten Dampflok, die einige klapprige ebenso alte Waggons hinter sich her durch die russische Taiga zieht. Nun, zumindest der letzte Teil entspricht der Wahrheit. Ansonsten sitzen wir in einem sehr modernen zweistöckigen Nachtzug, der für die letzten Olympischen Spiele gebaut wurde. Glücklicherweise hat sich mit der Landschaft auch das Wetter geändert. Es scheint als seien die letzten verregneten Tage fürs erste vorbei.
Gemächlich rollen wir in den Bahnhof ein und bekommen unsere Erwartungen bestätigt. Wir hatten gelesen, dass Kasan zwar ein Zentrum der russisch-islamischen Kultur ist, allerdings sieht alles etwas ungepflegt aus, etwa so, wie man sich ein Städtchen in der russischen Weite vorstellt. Doch Kasan hält einige Überraschungen bereit und ehe wir uns versehen, stehen wir inmitten des wunderschönen historischen Zentrums. Im Hostel rät man uns in Richtung Kreml zu gehen, weil die andere Seite wohl unspektakulär wäre.
Kasan ist um einiges älter als sein Kreml, der einige Jahrhunderte nach der mongolischen Herrschaft errichtet wurde, als das Khanat Kasan den Krieg gegen das russische Moskau verloren hatte. Die Tatsache, dass wir den Moskauer Kreml verpasst haben, ist jetzt gar nicht mehr so tragisch, denn sonst hätten wir den hiesigen nicht so schön gefunden. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich dort auch die Kul Sharif Moschee und eine russisch orthodoxe Kirche. Für diese religiösen Überschneidungen ist Kasan auch bekannt.
Die Kul Sharif Moschee.
Nebenan die Kirche.
Beim Betreten russisch orthodoxer Kirchen werden die Männer angehalten, die Mütze abzusetzen. Die Frauen sollten den Kopf bedecken. Normalerweise reicht dazu schon ein Tuch oder eine Kapuze. Eine Besucherin wollte dies jedoch nicht akzeptieren und hat lieber nach einer kurzen Diskussion die Kirche verlassen. Ich kenne zwar ihre Beweggründe nicht, finde es aber irgendwie respektlos. Wir haben akzeptiert in geschlossenen Räumen unsere Hüte abzusetzen, da sollte es doch kein Problem sein für den Besuch einer orthodoxen Kirche eine kurzweilige Kopfbedeckung zu tragen.
Als wir den Kreml verlassen, ist es schon später Nachmittag und wir beschließen Karten für eine tatarische Dinnershow zu besorgen. Einziges Problem: Die ist morgen. Morgen reisen wir wieder ab. Etwas geknickt spazieren wir dem Sonnenuntergang entgegen in Richtung der alten tatarischen Siedlung. Dabei kommen wir am Stadtzentrum vorbei, laut dem Hostel die langweilige Gegend, wo allerdings das Leben tobt.
Wir können es nicht fassen, wie sehr uns Kasan überrascht und begeistert. In der alten tatarischen Siedlung ruft der Imam zum Gebet und wir staunen über die schönen tatarischen Holzhäuser. Vergessen ist die verpasste Dinnershow als wir in einem anderen Lokal ein tatarisches Mahl genießen.Wir wünschten, wir hätten noch einige Tage mehr. Diese Stadt haben wir definitiv unterschätzt.
Sonnenuntergang über der alten tatarischen Siedlung.